Blogeintrag: Der Herr und der Knecht
Da dieses Gedicht sehr gut zeigt, was einige Menschen zurecht an der katholischen Kirche kritisieren, blogge ich es gerne noch einmal.
Der Herr und der Knecht
Der Herr auf einem armen Tier
Der Knecht mit höchster Pracht und Zier
Der Herr trägt eine Dornenkron
Der Knecht eine dreifach gülden Kron
Der Herr war arm in dieser Welt
Der Knecht hat groß Gewalt und Geld
Der Herr hat nichts wo er’s Haupt hinlegt
Der Knecht man auf den Achseln trägt
Der Herr den Jüngern wusch die Füß’
Der Knecht sich seine küssen ließ
Der Herr erlitt viel Schand und Spott
Der Knecht sich ehren läßt als Gott
Der Herr gibt Segen, Fried und Freud
Der Knecht verflucht und nichts bereut
Der Herr verfolgt und gekreuzigt war
Der Knecht verjagt und mordet immerdar
Der Herr ist unser Friedefürst
Den Knecht immer nach Blut es dürst
Der Herr bleibt unser treuer Hirt
Der Knecht lieber große Kriege führt
Der Herr gebot steck’ ein dein Schwert
Der Knecht schlachtet und frißt die Herd’
Der Herr mühselig und demütig lebt
Der Knecht über alles sich erhebt
Der Herr war sanftmütig zugleich
Der Knecht führt ein weltlich Reich
Der Herr mahnt die Gebot zu halten
Der Knecht hat diese ausgeschalten
Der Herr liebt alle Menschen gleich
Der Knecht nur die ihm gleich und reich
Der Herr achtet alles Geschlecht
Der Knecht jedoch die Frau verächt
Der Herr er starb als Opferlamm
Der Knecht Millionen das Leben nahm
Der Herr den Menschen Erlösung brachte
Der Knecht am Scheiterhaufen sie zur Asche machte
Der Herr alle Verlornen sucht
Der Knecht sie in die Hölle verflucht
Drum merkt an diesem Beispiel eben
ob sich Vergleich hier Lehr und Leben
du siehst daraus und merkst geschwind
wie so verschieden beide sind
und siehst und sagst es merklich frei
dass der Knecht der Widersacher sei.
Aus dem Jahr 1664, in einer Zeit als die Inquisition noch im Land wütete und bis ins 18. Jahrhundert andauerte. Leider gab es damals zu wenig mutige Christen - obwohl sie Mitglieder der Kirche waren - sich diesem Unrecht entgegen zu stellen. Insofern kann man den unbekannten Verfasser nur bewundern. Ob er auch auf dem Scheiterhaufen gelandet ist? Wahrscheinlich ist diese Schrift anonym verfaßt und verbreitet worden.
So wagte es auch Pater Spee nur unter einem Pseudonym über das Unrecht der Hexenverfolgung zu schreiben (Cautio Criminalis).
Qu.: feierabend.de